Patienteninfo
AKU ist eine sehr seltene Erbkrankheit mit einer Häufigkeitsrate von 2 - 10 : 1 000 000. Die Krankheit wird autosomal rezessiv vererbt, d.h. beide Eltern besitzen mindestens ein defektes mutiertes HGD-Gen, welches für die Krankheit AKU verantwortlich ist. Sie sind HGD-Träger, können aber auch selber betroffene AKU-Patienten sein. Jedoch muss das betroffene AKU-Kind von jedem Elterteil jeweils ein mutierte HGD-Gene erhalten haben. Wenn beide Eltern nur HGD-Träger sind, beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass dies geschieht, 1:3 (Abbildung 1).
Abbildung 1:
Schematische Darstellung der autosomal-rezessiven Vererbung von Alkaptonurie, wenn beide Eltern Träger eines defekten HGD-Gens sind. Ein roter Balken stellt ein Chromosom mit mutiertem HGD-Gen dar, ein weißer Balken weist auf das Chromosom mit gesundem intaktem HGD-Gen hin. Das rote Mädchen mit zwei roten Chromosomen ist das AKU-Kind, welches von beiden Eltern jeweils ein mutiertes HGD-Gene erhalten hat. Die Wahrscheinlichkeit hierfür liegt bei 1:3. Bilder sind Schnappschüsse des Alkaptonurie-Videos von Danilo Halle und Patrick Richter.
In gesunden Menschen synthetisiert das HGD-Gen ein intaktes HGD- Protein , auch HGD-Untereinheit genannt, wie in Abbildung 2 dargestellt. Denn für das aktive HGD- Enzym werden sechs Untereinheiten benötigt, wovon drei Untereinheiten jeweils ein sogenanntes Trimer in Form einer Scheibe bilden. Beide Trimerscheiben wiederum lagern sich zu einem bioaktiven Hexamer aufeinander (Abbildung 3). Nur das bioaktive Hexamer ist das HGD-Enzym, welches die von Tyrosin stammende HGA zusammen mit Eisen(II) zu Maleylacetoacetat (MAA) umwandelt (siehe Abbildung 4).
Abbildung 2: Synthese des HGD-Proteins vom HGD-Gen im gesunden Menschen. Die hier dargestellte Kristallstruktur von HGD wurde aus Pdb: 1EY2 entnommen und mittels der Graphiksoftware UCSF Chimera 5.1.3 bearbeitet. Das Bild ist ein Schnappschuss des Alkaptonurie-Videos von Danilo Halle und Patrick Richter.
Abbildung 3: Schematische Darstellung des bioaktiven HGD-Enzymes. Das Enzym besteht aus 6 Untereinheiten, wovon jeweils 3 Untereinheiten eine trimere Scheibe bilden und zwei dieser Trimere sich wiederum zu einem bioaktiven Hexamer anordnen. Die Kristallstrukturen wurden aus Pdb: 1EY2-bio entnommen und mittels UCSF Chimera 5.1.3 graphisch bearbeitet. Diese Abbildung wurde aus 2 Schnappschüssen des Alkaptonurie-Videos von Danilo Halle und Patrick Richter entnommen und ins Deutsche übersetzt.
Abbildung 4: Chemische Reaktion von Homogentisinsäure (HGA) zu Maleylacetoacetat (MAA) durch das HGD-Enzym in Anwesenheit von einem Eisen(II)ion. Gelbes Molekül = HGA, cyano Molekül = MAA, Fe ++ = Eisen(II)ion, grüne Moleküle sind die Aminosäuren, die an der Umwandlung von HGA zu MAA beteiligt sind. Die Kristallstruktur der HGD wurde aus Pdb: 1EY2-bio entnommen und mittels UCSF Chimera 5.1.3 graphisch bearbeitet. Diese Abbildung wurde aus 2 Schnappschüssen aus dem Alkaptonurie-Video von Danilo Halle und Patrick Richter entnommen.
Eine Mutation im HGD-Gen verursacht eine Änderung in der HGD-Untereinheit, die zu einer Störung der hexameren Anordnung der HGD führt, und das HGD-Enzym ist nun nicht mehr in der Lage, das HGA-Molekül zu MAA umzusetzen. Abbildungen 5 und 6 zeigen den Einfluss der in Deutschland am meisten vorkommenden Mutation M368V (die Mutation verursacht einen Austausch der Aminosäure Methionin in Position 368 aus Aminosäuresequenz der HGD-Untereinheit mit der Aminosäure Valin (Val). Dies hat zur Folge, dass sich die Trimerscheiben nicht mehr zusammensetzen können und somit auch das bioaktive Hexamer nicht gebildet wird.
Das Enzym ist jetzt inaktiv, was auch als HGD-Defizienz bezeichnet wird, und dadurch wird die HGA nicht mehr in MAA umgewandelt. Dies führt wiederum zu einer Anreicherung von HGA-Molekülen in der Zelle, welche anschließend durch die Zellmembran diffundieren (Abbildung 6) und dann in die Blutbahn gelangen (Abbildung 7A). Sie werden alsdann in der Niere filtriert (Abbildung 7B) und über den Urin aus dem Körper ausgeschieden (Abbildung 7C).
Abbildung 5: Schematische Darstellung der in Deutschland am meisten vorkommenden Mutation, die zu einer M368V Änderung in der Aminosäuresequenz führt. Die Mutation wurde in der Kristallstruktur Pdb: 1EY2 mittels Graphicsoftware PyMol (TM, DeLanano Scientific LLC, 2008) eingebaut. Diese Abbildung ist ein Schnappschuss des Alkaptonurie-Videos von Danilo Halle und Patrick Richter.
Abbildung 6: Einfluss der M368V Mutation auf die nicht mögliche Trimer- und Hexamerbildung des HGD-Enzyms. Dadurch wird das HGD-Enzym inaktiv, auch HGD-Defizienz genannt, und ist somit nicht mehr in der Lage HGA zu MAA umzuwandeln. Die Mutation wurde in der Kristallstruktur Pdb: 1EY2 mittels Graphicsoftware PyMol (TM, DeLanano Scientific LLC, 2008) eingebaut. Diese Abbildung ist ein Schnappschuss des Alkaptonurie-Videos von Danilo Halle und Patrick Richter.
Abbildung 7: Anreicherung von HGA in der Zelle durch inaktives HGD. Gelbe Moleküle = HGA-Moleküle, die hier dargestellten HGD-Untereinheiten liegen einzeln in der Zelle und sind inaktiv. Dies führt zu einer Anreicherung von HGA-Moleküle. Diese Abbildung ist ein Schnappschuss des Alkaptonurie-Videos von Danilo Halle und Patrick Richter.
Jedoch wird HGA entweder langsam durch den Sauerstoff der Luft oder schneller in einem alkalischen Milieu zu Benzochinon-Essigsäure (BQA) oxidiert. Diese chemische Reaktion verursacht das erste AKU-Symptom, nämlich die Dunkel- bis Schwazfärbung des Urins. Die meisten Patienten sind ansonsten in den ersten drei Jahrzehnten symptomlos und produzieren nur diesen ungewöhnlichen Schwarzharn (Abbildung 8).
Abbildung 8: Physiologische Darstellung der HGA Ausscheidung. A, HGA gelangt über die Blutbahn zur Niere. B, in der Niere wird HGA filtriert; und C, über die Blase in den Urin ausgeschieden. Abbildungen sind Schnappschüsse des Alkaptonurie-Videos von Danilo Halle und Patrick Richter.
Allerdings werden nicht alle HGA-Moleküle ausgeschieden, sondern ein Teil davon lagert sich als oxidiertes BQA am Bindegewebe, besonders aber am Knorpelgewebe an (Abbildung 9). Indes ist BQA chemisch betrachtet sehr reaktiv und polymerisiert, d.h. mehrere BQ-Moleküle formen ein mehrkettiges Molekül. Zusätzlich lagern sich noch andere unbekannte chemische Moleküle zu dieser Kette, um somit das ochronotische Pigment zu bilden (Abbildung 10).
Abbildung 9: Schematische und reale Darstellung der Oxidierung von HGA zu BQA in Anwesenheit von Sauerstoff (O 2 ) und alkalischem Milieu (OH - ), die zur Schwarzfärbung des Urins führt. Abbildungen sind Schnappschüsse des Alkaptonurie-Videos von Danilo Halle und Patrick Richter.
Abbildung 10: Schematische Darstellung des Knochens mit Gelenkknorpel und deren Anlagerung eines BQA-Moleküls. Knochen besteht aus Knochenschwammgewebe (untere Schicht), Subchrondalen Knochen (mittlere Schicht) und dem darüber liegenden Gelenkknorpel. Diese Abbildung ist ein Schnappschuss des Alkaptonurie-Videos von Danilo Halle und Patrick Richter.
Abbildung 11: Schematische Darstellung der BQA-Polymerisierung und des ochronotischen Pigmentes. BQA-Polymer wurde mittels Chem3D Ultra 8.0 erstellt. Diese Abbildung besteht aus zwei Schnappschüssen des Alkaptonurie - Videos von Danilo Halle und Patrick Richter.
Sobald das ochronotische Pigment entsteht, wird es von einer zwischen Knorpel und subchondralen Knochen liegenden Knorpelzelle, auch Chondrozyt genannt, aufgenommen. Wenn also ein Chondrozyt ein ochronotisches Pigment aufnimmt, sendet es außerdem Botenstoffe zu anderen Chondrozyten, um ebenfalls ein Pigment aufzunehmen. Zusätzlich wird das Pigment von der „Knochenmüllabfuhr“, den sogenannten Osteoklasten, „verschlungen“, was wiederum zum totalen Verlust des subchrondalen Knochens führt und der Knorpel liegt nun direkt auf dem Knochenschwammgewebe (Abbildung 11).
Abbildung 12: Illustration der Ochronosis im Gelenkknorpel. Zunächst wird ein entstandenes Pigment von einer Knorpelzelle aufgenommen. Danach nehmen mehrere Knorpelzellen und Kollagenmoleküle ein ochronotisches Pigment auf. Anschließend wird der subchrondale Knochen von Osteoklasten abgebaut, so dass Gelenkknorpel nun direkt auf Knochenschwammgewebe liegt. Diese Abbildungen sind Schnappschüsse des Alkaptonurie-Videos von Danilo Halle und Patrick Richter.
Des Weiteren lagert sich das ochronotische Pigment regelmäßig an Kollagenmolekülen an, welche ein Netzwerk aus Fasern zwischen den Knorpelzellen bilden und dem Knorpel sowohl die stabile Struktur als auch seine Elastizität verleihen. Der Knorpel wird schließlich komplett schwarz und brüchig. Darüber hinaus senden Osteoklasten Botenstoffe an immunologische Fresszellen, sogenannte Makrophagen, welche dann anschließend ochronotisch pigmentierte Knorpelzellen verschlingen.
Abbildung 13: Entwicklung der Schwarzfärbung des Gelenkknorpels. Ochronotische Pigmente lagern sich regelmäßig an Kollagenmoleküle an, wodurch der ganze Gelenkknorpel schwarz gefärbt und brüchig wird. Diese Bruchstücke, auch „Shards“ genannt, werden von Makrophagen verschlungen, was wiederum zu einem Abbau des Gelenkknorpels führt. Diese Abbildungen sind Schnappschüsse des Alkaptonurie-Videos von Danilo Halle und Patrick Richter.
Abbildung 14 zeigt ein Ellbogengelenk mit ochronotischer Schwarzfärbung. Oft bleibt keine andere Wahl als endoprothetischer Gelenkersatz.
Gewöhnt beginnt jedoch die ochronotischen Arthopathie (Arthrose) mit Schmerzen an der Wirbelsäule, verursacht durch Verengung und Kalzifizierung des Zwischenwirbelraums, der durch den Abbau der Bandscheiben entsteht, wie in Abbildung 14 illustriert. Außerdem sind Sehnen-, Bänder- und Muskelfaserrisse häufig bei AKU-Patienten zu beobachten (siehe Abbildung 15).
Ein weiteres Merkmal von AKU-Patienten sind graue bis schwarze ochronotische Pigmente am Augapfel und an der Ohrmuschel, wie in Abbildung 16 dargestellt.
Abbildung 14: Foto eines ochronotisch schwarzgefärbten Ellbogens von einem AKU-Patienten. Diese Abbildung ist ein Schnappschuss des Alkaptonurie-Videos von Danilo Halle und Patrick Richter.
Abbildung 15: Knochenszintigraphie eines 46-jährigen AKU-Patienten und Röntgenbilder der Wirbelsäule von AKU-Patienten, die eine altersabhängige Degenerierung der Wirbelsäule bei AKU-Patienten vorweist. Diese Abbildung ist ein Schnappschuss des Alkaptonurie-Videos von Danilo Halle und Patrick Richter.
Abbildung 16: Foto von einem Sprunggelenk eines AKU-Patienten mit einer Narbe, die durch die Operation eines Achillessehnenrisses entstand. Diese Abbildung ist ein Schnappschuss des Alkaptonurie-Videos von Danilo Halle und Patrick Richter.
Des Weiteren bilden sich oft Nierensteine in der sechsten Dekade und bei Männern zusätzlich noch Prostatasteine (Abbildung 18).
Abbildung 17: Beispiele einer ochronotischer Pigmentierung des Augapfels und der Ohrmuschel in AKU-Patienten. Diese Abbildung ist ein Schnappschuss des Alkaptonurie-Videos von Danilo Halle und Patrick Richter.
Abbildung 18: Beispiel einer ochronotischer Pigmentierung der Herzklappen in einem AKU-Patientenmit Herzklappenstenose. Diese Abbildung ist ein Schnappschuss des Alkaptonurie-Videos von Danilo Halle und Patrick Richter.
Abbildung 19: Operierter Prostatastein eines männlichen AKU-Patientenmit. Diese Abbildung ist ein Schnappschuss des Alkaptonurie-Video von Danilo Halle und Patrick Richter.