Alkaptonurie einfach erklärt

Einleitung:

Alkaptonurie (AKU) ist eine seltene Erbkrankheit des Eiweißabbaus. Sie wird autosomal-rezessiv vererbt, das heißt ein AKU-Patient hat 2 defekte "AKU-Gene" mit Mutationen von jeweils Vater und Mutter erhalten (siehe Abbildung 1). Durch die Mutationen kann das "AKU-Enzym" entweder nicht gebildet werden oder es ist nicht funktionsfähig und der Eiweißbaustein (Aminosäure) Tyrosin kann nicht vollständig abgebaut werden. Dies führt zu einer erhöhten Anreicherung des Zwischenproduktes Homogentinsinsäure (HGA), welches chemisch sehr reaktiv ist und zu BQA oxidiert. Ein Großteil der HGA wird über die Niere und Blase in den Urin ausgeschieden (Abbildung 2). Durch den Sauerstoff der Luft wird die HGA im Urin nach einiger Zeit zu BQA oxidiert und verursacht somit eine dunkel bis fast schwarze Verfärbung des Urins, das erste Zeichen von AKU im Säuglingsalter (siehe Abbildung 3). Ansonsten sind AKU-Patienten symptomlos bis ins frühe Erwachsenenalter (1,2).

 

Jedoch wird BQA mit der Zeit biochemisch zu einer schwarzen kristallinen Substanz, dem ochronotischen Pigment, umgewandelt und dieses Pigment richtet durch schwarze Ablagerungen Schäden an mehreren Organen an (1-4). Zusätzlich entsteht im Blut und im Bindegewebe oxidativer Stress durch Bildung reaktiver Sauerstoffspezien  (englisch, reactive oxygen species, ROS) und es kommt zu einer Entzündungsreaktion und Eiweißablagerung in verschiedenen Bindegeweben (5, 6). Die Folgen sind: Verfärbung der Skleren (Augäpfeln) und Ohrmuscheln (± 30 Jahre), Nieren- und Prostatasteine (± 50 Jahre), Aortenstenose (± 60 Jahre) und vor allem eine früheinsetzende invalidisierende Erkrankung der Wirbelsäule (± 30 Jahre)  und Großgelenke (± 40 Jahre, ochronotische Arthropathie), die durch den Abbau des schwarzen Knorpels entsteht und sehr schmerzhaft ist (Abbildungen 4 und 5). Muskelfaser-, Sehnen- und Bänderrisse, verursacht durch Minimaltrauma sind weitere häufige Symptome der Alkaptonurie (1-4).

 

Als chronisch systemische (betrifft mehrere Organe) Erkrankung sollte AKU regelmäßig und interdisziplinär durch mehrere diagnostische Verfahren überwacht werden, so dass frühzeitge therapeutische Maßnahmen ergriffen werden können. Den Schweregrad und Verlauf der AKU kann durch den sogenannten AKU-Schweregrad-Index (AKUSSI, Englisch = AKU-Severity-Score-Index) ermittelt werden, welcher von Prof. Dr. Ranganath und Prof. Dr. Cox der Uniklinik Liverpool entwickelt wurde (1-4, 7-11). Der Beginn und Verlauf der ochronotischen Arthrose kann unter Anderem über die 3D-Ganganalyse manifestiert werden (12). 

 

Derzeit gibt es keine heilende (kausale) Therapie für Alkaptonurie und die gegenwärtigen therapeutischen Maßnahmen bestehen aus Schmerztherapie, Physiotherapie, Ergotherapie, gelenkschonendes Funktionstraining und Ernährung sowie chirurgische Eingriffe durch Gelenkendoprothesen, Entfernung der Nieren- oder Prostatasteine und Herzklappenersatz. Momentan läuft die EU-finanzierte klinische Studie DevelopAKUre über Nitisinon für die kausale (heilende) Behandlung von Alkaptonurie (2). Tabelle 1 fasst die symptomatischen und zukünftige heilende Therapieansätze nach neusten wissenschaftlichen und medizinischen Erkenntnisse zusammen (1-14). Ein "gesunder Lebensstil" kann den Verlauf der Alkaptonurie maßgeblich positiv beeinflussen und die DSAKU e.V. hat aus diesem Grund einen Leitfaden der Krankheitsbewältigung basierend auf den Erkenntnissen der weltweiten AKU-Zentren zusammengestellt. Durch die Beeinträchtigung der Lebensqualität auf Grund von Schmerzen, Steifheit und Erschöpfung kommt es häufig zu psychischen Problemen und Einschränkungen im Alltag und auf Arbeit, was letztendlich zu einer Behinderung wie bei fast allen rheumatischen Erkrankungen führen kann. Unter Sozialrecht bietet die DSAKU e.V. in Zusammenarbeit iher Kooperationspartnern der Deutschen Rheuma-Liga e.V. und Unabhängige Patientenberatung Deutschland auch Hilfestellung zu diesem Thema (13, 14).

 

Die Häufigkeit von AKU beträgt weltweit ca. 1:100 000 - 250 000, jedoch gibt es sogenannte Hotspots wie die in der Slowakei, Jordanien, Indien, Dominikanische Republik und Berlin (15,16). Die höchste Prävalenz mit ungefähr  1:19 000 ist jedoch in der Slowakei zu finden, während in einer in Berlin durchgeführten Pilotstudie eine Häufigkeitsrate von 1:31000 durch Neugeborenen-Screening ermittelt wurde (2). Durch Anfragen an einzelne Stoffwechselzentren, Kontaktanfragen von AKU-Patienten über die DSAKU-Internetseite sowie Literaturrecherche wurden inzwischen ca. 160 AKU-Patienten (80 Kinder und 80 Erwachsene) in Deutschland identifiziert (http://www.dsaku.de/ueber-dsaku/aku-patienten-in-deutschland/).

 

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Abbildung 1: Autosomal-rezessive Vererbung von Alkaptonurie (AKU). Wenn beide Eltern Träger von einem mutiertem (defektem) AKU-Gen (rotes Rechteck) sind, erhält das AKU-Kind von jedem Elternteil jeweils ein mutiertes AKU-Gen. Rotes Rechteck = mutiertes Gen, weißes Rechteck = gesundes Gen. Autosomal, geschlechtlose Vererbung, das heißt Mädchen und Jungen sind gleichermaßen betroffen. Rezessiv, nur ein Kind mit 2 mutierten AKU-Gene entwickelt Alkaptonurie (17).

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Abbildung 2: Ausscheiden der meisten Homogentisinsäure (HGA) vom Blut (A) über die Niere (B) und Blase (C) in den Urin (Abbildung 3) (17).

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Abbildung 3: Nachdunkeln des Urins bei Alkaptonurie (AKU). Oxidierung der Homogentisinsäure (HGA) zu BQA durch Zugabe einer alkalischen Lösung (Lauge), die den AKU-Urin dunkel bis schwarz verfärbt (17).

Zusammenfassung der Symptome:

AKU-assozierten Symptome lassen sich in folgende drei Phasen zusammenfassen:
  1. Asymptomatisch: Verfärbung des Urin in der Luft ab dem Säuglingsalter bis ins frühe Erwachenenalter.
  2. Erste Schmerzen / Einschränkungen ab der 3. Dekade durch Rücken- und Gelenkschmerzen. Angepasster Lebenstil und Physio- / Ergotherapie können hier Abhilfe leisten.
  3. Beeinträchtigung der Lebensqualität und die Notwendigkeit von chirurgischen Eingriffen und maßgeschneiderter Schmerztherapie zu deren Verbesserung.
Chronologisch:
  • Verfäbung des Urins ab dem Säuglichsalter.
  • Rückenschmerzen und Versteifung durch Degeneration der Wirbelsäule (± 30 Jahre).
  • Verfärbung der Ohrmuschel(n) und Augapfels (± 30 Jahre).
  • Gelenkschmerzen und Gelenkverschleiß durch den schwarzen Knorpel der ochronotische Arthrose (± 40 Jahre)
  • Entzündung durch oxidativen Stress, Bildung reaktiver Sauerstoffspezien (ROS) und Eiweißablagerungen (Amyloidose AA) im Bindegewebe.
  • Hörprobleme durch Verfärbung des Trommelfells und den Gehörknöchelchen.
  • Nieren - / Prostatasteine (± 50 Jahre).
  • Aortenstenose (± 60 Jahre).
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Abbildung 4: Kurze schematische Darstellung der AKU-assozierten Symptome. Ochronotische Arthrose der Wirbelsäule und Gelenken verursacht Probleme beim Gehen.

 

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Abbildung 5: Darstellung der AKU-Symptome durch Ochronose (Verfärbung des Bindegewebes) im Auge, Ohr. Gelenkknorpel und Herzklappen. Ochronose der Bandscheiben führt zur fortschreitenden Krümmung und Degeneration der Wirbelsäule (Bambuswirbelsäule) und schwarzer brüchiger Gelenkknorpel zu schmerzhaften Gelenkverschleiß einer ochronotischen Arthrose, wie in den alterabhängigen Röntgenbildern und dem Knochenszintigramm ersichtlich sind (1, 4, 17,18).

 

"Unsichtbare" Symptome der Alkaptonurie:
  • Starke Schmerzen
  • (Morgen)Steifigkeit
  • Erschöpfung
  • Isolierung /Depression
  • Persönliche Odyssee bis zur entgültigen Diagnose
  • Beeintrachtigung der Lebensqualität
  • Einschränkung im Alltag und auf Arbeit

Therapien:

Tabelle 1: Zusammenfassung symptomatischer und potentiellen kurativen Therapien für AKU nach den neusten Stand wissenschaftlicher und medizinischer Forschung (2). NIH, National Institut of Health ; NAC, National AKU Centre Liverpool.

Therapie / Beratung

Behandlung

Kommentar

Symptomatische Therapieansätze:

 

Ernährung

Vitamin C

Empfohlen von den meisten deutschen Stoffwechselerperten, Wirksamkeit ist noch nicht erwiesen, konnte aber im Labor die Eiweißablagerung (Amyloidose AA) und ROS unterbinden.

eiweißarme Diät

Bezieht sich hauptsächlich auf tyrosin- und phenylalaninarmer Diät. Wirksamkeit ist noch nicht erwiesen, scheint bei Kindern jedoch die Ausscheidung der Homogentisinsäure mehr zu unterbinden als bei Erwachsenen. Einheiltung vielfach schwierig.

 

 

 

Beratung zum Lebensstil

Funktionstraining

regelmäßiger Sport mit geringer Stauchung wie die Warmwasser-gymnastik wird wärmstens vom NIH und NAC sowie der DSAKU e.V. empfohlen.

Berufswahl

Vermeidung schwerer körperlicher Arbeiten

Familienplanung

Genetische Beratung

Behinderung

 

Sozialrecht ist durch Mangel an Informationen oft schwierig 

Frührente

Therapien durch Gesundheitsberufe

Physiotherapie

Empfohlen um die Beweglichkeit zu erhalten

Ergotherapie

Empfohlen, um beruftätig zu bleiben und den Alltag zu bewäligen

Schmerztherapie

Angepasste Schmerztherapie

Wichtig und empfehlenswert. Richtig sich nach dem WHO-Stufenschema. Wärme wird von fast allen AKU-Patienten als angenehm empfunden.

Überwachung

Diagnostische Verfahren

Wichtig zur frühzeigen Erfassung der Symptome und eingreifen therapeutischen Maßnahmen. Wird oft durch Mangel an Informationen nicht vollständig wahrgenommen

Chirurgie (Endoprothesen, Nieren-/Prostatasteine, Herzklappenersatz)

Organtransplantation

Nicht indiziert, da AKU nicht lebensbedrohlich ist

Palliative Chirurgie

Effektiv, aber invasiv. Siehe auch Anästhesie

Heilende (kausale) HGA-reduzierende Therapien:

Substratreduktionstherapie

Nitisinon

Derzeit untersucht durch klinische Studie (www.developAKUre.eu)

Gentherapie

HGD-Gen

(AKU-Gen)

Noch nicht verfügbar, Tierversuche scheinen aber erfolgsversprechend zu sein

Enzymersatztherapie

HGD-Enzym

(AKU-Enzym)

Noch nicht verfügbar, wird jedoch bei AKU-Mäusen im Blut schnell abgebaut und das nachfolgende Produkt MAA ist auch toxisch.

 

Referenzen:

  1. Phornphutkul, C., Introne, W. J., Perry, M. B., Bernardini, I., Murphey, M. D., Fitzpatrick, D. L., Anderson, P. D., Huizing, M., Anikster, Y., Gerber, L. H., and Gahl, W. A. (2002) Natural history of alkaptonuria.  N.Engl.J.Med. 347, 2111-2121. 
  2. Ranganath, L. R., Jarvis, J. C., and Gallagher, J. A. (2013) Recent advances in management of alkaptonuria (invited review; best practice article) J Clin.Pathol. 66, 367-373.
  3. Ranganath, L. R. and Cox, T. F. (2011) Natural history of alkaptonuria revisited: analyses based on scoring systems. J Inherit.Metab Dis. 34, 1141-1151.
  4. Cox, T. F. and Ranganath, L. (2011) A quantitative assessment of alkaptonuria : Testing the reliability of two disease severity scoring systems. J.Inherit.Metab Dis. 34, 1153-1162.
  5. Braconi, D., Millucci, L., Bernardini, G., Santucci, A. (2015) Oxidative stress and mechanisms of ochronosis in alkaptonuria. Free Radic Biol Med. 88(Pt A), 70-80.
  6. Millucci, L., Ghezzi, L., Bernardini, G., Braconi, D., Lupetti, P., Perfetto, F., Orl,andini, M., Santucci, A. (2014) Diagnosis of secondary amyloidosis in alkaptonuria. Diagn Pathol. 9,185-189. 
  7. Vinjamuri, S., Ramesh, C. N., Jarvis, J., Gallagher, J. A., and Ranganath, L. L. (2011) Nuclear medicine techniques in the assessment of alkaptonuria. Nucl.Med.Commun. 32, 880-886. 
  8. Pettit, S. J., Fisher, M., Gallagher, J. A., and Ranganath, L. R. (2011) Cardiovascular manifestations of Alkaptonuria. J Inherit.Metab Dis. 34, 1177-1181. 
  9. Introne, W. J., Kayser, M. A., and Gahl, W. A. (2016) Alkaptonuria. In Pagon, R.A.B.T.D.D.C.R.S.K., editor. GeneReviews [Internet], University of Washington, Seattle, 2003-2016.  
  10. Kayser, M. A., Introne, W., and Gahl, W. A. (2009) Chapter 92: Alkaptonuria. In Vale, D., Beaudet, A. L., Vogelstein, B., Kinzler, K. W., Antonarakis, S. E., Ballabio, A., Scriver, C. R., Sly, W. S., and Childs, B., editors. The Scriver's Online Metabolic & Molecular Bases of Inherited Diseases, McGrawHill Companies, Columbus, 1-30. 
  11. Perry, M. B., Suwannarat, P., Furst, G. P., Gahl, W. A., and Gerber, L. H. (2006) Musculoskeletal findings and disability in alkaptonuria. J.Rheumatol. 33, 2280-2285. 
  12. Barton, G.J., King, S.L., Robinson, M.A., Hawken, M.B., and Ranganath, L.R. (2015) Age-Related Deviation of Gait from Normality in AlkaptonuriaJIMD Rep. 24, 39-44. pubmed 
  13. Deutsche-Rheuma-Liga (2012) www.rheuma-liga.de
  14. Unabhängige Patientenberatung Deutschland (2016) www.patientenberatung.de
  15. Zatkova, A. (2011) An update on molecular genetics of Alkaptonuria (AKU). J Inherit.Metab Dis. 34, 1127-1136.
  16. Mönch, E. and Link, R. (2006) Alkaptonurie. In Mönch, E. and Link, R., editors. Diagnostik und Therapie bei angeborenen Stoffwechselstörungen, SPS-Verlag, Heilbronn. S. 55-72. 
  17. Richter, P., Halle, D., Le Guillou, D., Wagner, L.  (2012) www.youtube.com/watch?v=t5EgHvSYDPM
  18. Hannoush, H., Introne, W. J., Chen, M. Y., Lee, S. J., O'Brien, K., Suwannarat, P., Kayser, M. A., Gahl, W. A., and Sachdev, V. (2012) Aortic stenosis and vascular calcifications in alkaptonuria. Mol.Genet.Metab. 105, 198-202.



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